Buchbesprechung: Jael McHenry — Schokoladengeister

JaelMcHenry-Schokoladengeister

Das Leben der 26-jäh­ri­ge Gin­ny Sel­vag­gio gerät von heu­te auf mor­gen völ­lig aus den Fugen: Der plötz­li­che Unfall­tod ihrer Eltern zwingt sie dazu, ihr Schne­cken­haus zu ver­las­sen und sich all­täg­li­chen Pro­ble­men zu stel­len und dabei auch ihren All­tag neu zu defi­nie­ren. Doch ihre Erkran­kung macht es ihr mehr als schwer, sich der rea­len Welt zu stel­len, zudem ihre bestim­men­de Schwes­ter Aman­da jede Men­ge For­de­run­gen an sie stellt, mit denen sie so kurz nach dem Ver­lust der Eltern über­for­dert scheint.

Die jun­ge Frau aber fin­det für sich einen ganz spe­zi­el­len Weg, sich der Trau­er und ihren Pro­ble­men zu stel­len, als sie her­aus­fin­det, dass sie Geis­ter von Toten zu sich rufen kann, indem sie deren Rezep­te zube­rei­tet. Dabei kommt sie eini­gen rät­sel­haf­ten Geheim­nis­sen ihrer Fami­lie auf die Spur und fin­det im Lau­fe der Zeit her­aus, wie sie sich peu à peu den Her­aus­for­de­run­gen des All­tags stel­len kann …

Ein­schät­zung:

WOW, Wow, wow – was für ein unge­wöhn­li­cher und ein­drucks­vol­ler Roman!

Einen solch emo­tio­na­len und bewe­gen­den Schmö­ker habe ich eigent­lich gar nicht auf der Rech­nung gehabt, als ich dem guten Stück hab­haft wer­den konn­te. Das knall­bun­te Cover ver­spricht ja zunächst mal locker-leich­tes Lese­ver­gnü­gen; die kur­ze Inhalts­an­ga­be hin­ge­gen lässt dann wie­der­um erah­nen, dass es viel­leicht nicht ganz so unbe­schwert und hei­ter zugeht. Und in die­sem Fall hat die Inhalts­an­ga­be über das Cover tri­um­phiert!

Gut, Autis­mus war mir vom Hören Sagen sicher­lich ein Begriff. Von Asper­ger hin­ge­gen habe ich im Vor­feld noch nie von gehört und da war die Neu­gier natür­lich rie­sen­groß, wie die Autorin aus der Sicht einer Betrof­fe­nen einen kurz­wei­li­gen Unter­hal­tungs­schmö­ker aufs Papier zau­bert.

Zuge­ge­be­ner­ma­ßen bin ich auch immer leich­te Beu­te, wenn der Klap­pen­text in irgend­ei­ner Form kuli­na­ri­sche Köst­lich­kei­ten in Aus­sicht stellt. Da ver­spre­che ich wirk­lich nicht zu viel, wenn ich sage: Hier gibt’s super­tol­le Rezep­te, die viel­leicht nicht wie bei Gin­ny Geis­ter zum Vor­schein brin­gen, dafür aber für Gau­men­freu­den pur sor­gen.

Und die gute Gin­ny kann kochen, dass selbst Jamie Oli­ver und Co. begeis­tert Bei­fall klat­schen wür­den. Da wird gehackt, gequirlt und gekne­tet was das Zeug hält und das wun­der­ba­re ist, wir Lese­rin­nen bekom­men nicht nur das Rezept in tabel­la­ri­scher Form zum Beginn eines Kapi­tels gelie­fert, nein, wir ste­hen qua­si neben Gin­ny in der Küche und erle­ben haut­nah mit, wie die­se begna­de­te Hob­by-Köchin ein Lecker­li nach dem ande­ren zube­rei­tet. Da muss man sich fast zwin­gen, die Nase nicht an die Buch­sei­ten zu drü­cken, um die Aro­men die­ser Lecker­bis­sen ein­fach mal zu inha­lie­ren.

Nun gut, mit die­sen Geis­ter­re­zep­ten erhält die Sto­ry natür­lich einen eher leich­ten und sorg­lo­sen Unter­ton, der in vie­len ande­ren Sze­nen jedoch über­la­gert wird von Pro­ble­men, denen sich Gin­ny zunächst wei­gert, sich zu stel­len. Die Autorin schafft es aber über die Maßen anschau­lich, die­ses etwas unge­wöhn­li­che Ver­hal­ten und die cha­rak­te­ris­ti­schen Gedan­ken­gän­ge der jun­gen Frau an die Lese­rin zu brin­gen. Irgend­wie im Lauf des Gesche­hens, betrach­tet man Gin­nys Aktio­nen fast schon als nor­mal. Gleich­zei­tig stellt man sich da jedoch auto­ma­tisch die Fra­ge: Was ist denn eigent­lich „nor­mal“? Im Übri­gen spielt das Wort „Nor­mal“ hier eine ganz gro­ße Rol­le. Gin­ny setzt sich mehr als aus­gie­big mit der Bedeu­tung die­ses Wor­tes aus­ein­an­der und als Lese­rin gerät man da in der ein oder ande­ren Situa­ti­on eben­falls ins Grü­beln.

Bei den Neben­fi­gu­ren hat hier sicher­lich die gute Aman­da den undank­bars­ten Job zu machen, muss sie doch die Rol­le als „böse“ Schwes­ter über­neh­men und füllt das auch ganz gut aus. Da hat Gert, die Haus­häl­te­rin, sicher den sym­pa­thi­sche­ren Part und bringt es mit ihren Aus­sa­gen eigent­lich immer kurz und knapp auf den Punkt.

Im Übri­gen kann man sich durch den unkom­pli­zier­ten, aber so wun­der­bar sen­si­blen Schreib­stil der Autorin zu ein­hun­dert Pro­zent mit unse­rer Roman­hel­din iden­ti­fi­zie­ren und ihre Gedan­ken­gän­ge und Über­le­gun­gen nachvollziehen.

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