
In dieser Rubrik möchten wir Sie im Hinblick auf die stetig stattfindende Forschung zum Thema “Autismus” auf dem Laufenden halten. Wir werden diese Seite ständig aktualisieren bzw. erweitern.
Autismus-Forschung. Forschungsprojekt ELKASS. Am Freitag, dem dreizehnten September 2019, fand in der Technischen Universität Dortmund die letzte von insgesamt drei Tagungen zum Forschungsprojekt Ellkass, Eltern von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen, statt. Diese Studie widmete sich der Forschungsfrage, inwieweit die pädagogisch-therapeutische Förderung der Kinder und Jugendlichen mit Autismus-Spektrum-Störungen in den Autismus-Therapie-Zentren dazu beiträgt,die Belastungen der Eltern zu verringern, und ihre Ressourcen zur Bewältigung der Anforderungen zu stärken. Tröster, Oberfeld, Krawinkel und Lange, 2017. Zunächst begrüßte der Leiter des Forschungsprojektes, Professor Doktor Heinrich Tröster, die anwesenden Repräsentanten und Repräsentantinnen der zehn an der Studie mitwirkenden Autismus-Therapiezentren. Studienkoordinatorin Doktor Sarah Lange sowie Frau Teresa Mann, M A, gaben dann in ihrem Kurzvortrag, Klientel, therapeutisches Personal und Förderangebote der Autismus-Therapie-Zentren, einen Überblick über die Zusammensetzung der,multiprofessionellen Teams, die Diagnosen der Klient/innen sowie die unterschiedlichen Therapiemethoden, die die Therapeutinnen und Therapeuten der Autismus-Therapie-Zentren einsetzen. Ein ausführlicher Bericht über die Forschungsergebnisse, ist in der Zeitschrift des Bundesverbandes autismus Deutschland e V, Ausgabe Nummer 86, Dezember 2018, nachzulesen. Im folgenden Kurzvortrag erklärte Herr Professor Doktor Tröster, wie das Studiendesign entwickelt wurde, und wie die Längsschnittstudie aufgebaut war. Die gewonnenen Forschungsergebnisse umfassen einen Förderzeitraum von acht Monaten, und basieren auf den Angaben von 102 Eltern von Kindern und Jugendlichen mit A S S, die an allen drei Erhebungszeitpunkten der Studie teilgenommen haben. Details zu der durchgeführten Studie können auf der Internetpräsenz der TU Dortmund, Fakultät Rehabilitationswissenschaften, nachgelesen werden. Insbesondere vier Fragestellungen waren für das Forschungsteam von Interesse: >Welche Anforderungen ergeben sich für die Eltern aus der Symptomatik des Kindes? Inwieweit führen diese Anforderungen zu Belastungen der Eltern? Auf welche Ressourcen können Eltern zurückgreifen, um die Anforderungen zu bewältigen? Inwieweit trägt die pädagogisch-therapeutische Unterstützung der Familien dazu bei, die Ressourcen der Eltern zu stärken und ihre Belastung zu reduzieren? Im nachfolgenden Vortrag von Frau Doktor Lange und Herrn Professor Doktor Tröster, wurde das Anforderungs- und Belastungsprofil von Eltern von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen detailliert vorgestellt. Frau Doktor Lange erklärte, dass es vier Ebenen der elterlichen Belastung gäbe. Interessant seien während ihrer Forschung insbesondere der Zusammenhang der Beeinträchtigungen im Alltag, und den Anforderungen für die Eltern, sowie der Zusammenhang zwischen den Anforderungen und Belastungen der Familien gewesen. In der anschließenden Diskussion wurde die Wichtigkeit der Elternarbeit herausgestellt. Nach dem gemeinsamen Mittagessen, ging es mit einem erneuten Kurzvortrag von Herrn Professor Doktor Tröster weiter im Tagungsprogramm. Der nächste Teil, den Herr Professor Doktor Tröster referierte, hatte die therapeutische Allianz und Ressourcen-Aktivierung in der Autismustherapie zum Thema. Die Grundfrage, ob es nach Aufnahme der autismusspezifischen Förderung zu einer Entlastung der Familien kommt, könne Herrn Tröster zufolge eindeutig mit Ja beantwortet werden. Dabei sei die therapeutische Allianz als bedeutendster Wirkfaktor zu erwähnen. Die therapeutische Allianz bezeichnet das Arbeitsbündnis zwischen Therapeut, beziehungsweise Therapeutin, und Klient, beziehungsweise Klientin, und lässt sich Bordin (1979 und 1994) zufolge in die Bereiche Bond (Vertrauen, Bindung, gemeinsames Verantwortlichkeitsgefühl), Goals (Übereinstimmung über die Zielsetzung) und Tasks (Übereinstimmung bezüglich der Aufgaben) einteilen. Die Beziehungszufriedenheit ist Herrn Doktor Tröster nach ausschlaggebend für den Therapieerfolg. Eine gute Qualität der Beziehung zwischen den Eltern und der Therapeutin, beziehungsweise dem Therapeuten, hat Einfluss darauf, ob die Belastung der Eltern im Therapieverlauf abnimmt. Die starke Einbindung der Eltern in die therapeutische Arbeit, führt zudem zu einem positiven Effekt im Belastungserleben der Eltern. Als weiteres Wirkprinzip, neben der therapeutischen Allianz, wurde die Ressourcen-Aktivierung beschrieben. Insbesondere die Selbstwirksamkeits-Überzeugungen der Eltern sind als motivationale Triebfedern zu betrachten. Dabei führt wiederum auch die Beziehungszufriedenheit zu einer wahrgenommenen Selbstwirksamkeit. Werden Eltern gut in die Förderung mit einbezogen, steigt auch das Vertrauen in die eigenen Kompetenzen. Die Frage, ob die Therapie die wahrgenommene Verfügbarkeit sozialer Unterstützung der Eltern stärkt, kann ebenfalls mit Ja beantwortet werden. Innerhalb der ersten vier Monate nach Beginn der Therapie, steigt das Vertrauen der Eltern in Unterstützungssysteme an. Nach dem interessanten und umfangreichen theoretischen Input, erfolgte nun die Einteilung der Anwesenden in Workshop-Gruppen, die sich mit den Themen therapeutische Allianz und der Ressourcenaktivierung auseinandersetzten. Die Ergebnisse dieser Workshops wurden im Anschluss dargestellt und in einer Diskussionsrunde zusammengefasst. Der erste Workshop befasste sich mit der Frage: Wie trägt die pädagogisch-therapeutische Unterstützung der Familien dazu bei, die Ressourcen der Eltern zu stärken und ihre Belastung zu reduzieren? Als zentrales Element wurde die Wertschätzung und Akzeptanz der Familie durch die Therapeutin beziehungsweise den Therapeuten, ausgemacht. Diese ist als Grundlage für den Aufbau einer positiven und tragfähigen Arbeitsbeziehung anzusehen. Dazu gehört auch, dass es der Therapeutin, beziehungsweise dem Therapeuten, gelingt, den Eltern ihre bereits vorhandene Kompetenzen sichtbar zu machen um aufzuzeigen und zu würdigen, was die Eltern bisher geleistet haben und den Fokus vom Problem auf das Gelingende zu legen. Gleichzeitig ist es bedeutsam, die empfundene Belastung anzuerkennen und in einem gemeinsamen Arbeitsprozess mit den Eltern nach Bewältigungsmöglichkeiten zu suchen. Eine wertschätzende und präzise Auftragsklärung der pädagogisch-therapeutischen Förderung ist elementar für den Arbeitsprozess. Bei der gemeinsamen Festlegung der Ziele und der Absprache darüber, wie diese erreicht werden können, muss die Therapeutin, beziehungsweise der Therapeut, das Tempo der Familie im Blick behalten und berücksichtigen. Was können die Eltern verarbeiten beziehungsweise annehmen? Wie schnell und flüssig gelingt die Umsetzung von Vereinbarungen? et cetera. Das erfordert oftmals ein gutes Maß an Geduld, und ebenso eine Portion Humor auf beiden Seiten. Um die Ressourcen der Eltern zu stärken ist es sinnvoll, dass die Therapeutin, beziehungsweise der Therapeut, die Eltern anregt, neben der Fürsorge für ihr Kind, auch etwas für sich zu tun. Psychohygiene und Elemente aus dem Achtsamkeitstraining können in kleinschrittigen Sequenzen empfohlen werden, sodass nicht noch zusätzlich bei den Eltern Druck entsteht, etwas umsetzen zu müssen, was sie nicht leisten können. Psychohygiene auf der therapeutischen Seite ist ebenso wichtig, was durch selbstreflexive Einsichten in Fachgesprächen, genauso wie in Supervisionseinheiten geschehen kann. In der anschließenden Diskussion über diese Workshop-Ergebnisse, wurde nochmal das Prinzip der Kleinschrittigkeit hervorgehoben. In Situationen, in denen alle Beteiligten das Gefühl haben, dass gar nichts mehr geht ist es besonders wichtig, dass die Therapeutin, beziehungsweise der Therapeut, auch die kleinen Ressourcen im Blick behält, und Selbstverständlichkeiten würdigt. Die Frage, Wie haben Sie es geschafft, trotz allem diesen Termin wahrzunehmen?, lenkt die Aufmerksamkeit auf Begebenheiten, die doch noch funktionieren, und es kann in den Blick genommen werden, wer im Familiensystem was dazu beiträgt, dass der Alltag bewältigbar bleibt. Als zweiter Diskussionspunkt wurde das Thema Hausaufgaben aus der Therapie für die Eltern aufgenommen. Es wurde argumentiert, dass diese einerseits zum Selbstwirksamkeitserleben der Eltern, im Sinne von, ich kann etwas Konkretes tun und damit Veränderung bewirken, beitragen können. Andererseits können solche Aufgaben auch die Belastung der Eltern zusätzlich intensivieren, wenn sie damit überfordert sind und es ihnen nicht gelingt, diese zu ihrer Zufriedenheit umzusetzen. Das Resümee lautet daher, dass Hausaufgaben an die Eltern von der Therapeutin, beziehungsweise dem Therapeuten, nur mit Bedacht und dosiert eingesetzt werden sollten. Der zweite Workshop befasste sich mit dem, Aufgabenzentriertem Bündnis zwischen den Eltern und der Therapeutin beziehungsweise dem Therapeuten, also der therapeutischen Allianz. Drei zentrale Fragestellungen wurden ausgearbeitet und diskutiert: Wie unterstützt das A T Z seine therapeutischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnenin, damit diese eine gute therapeutische Allianz mit den Eltern eingehen kann? Welche Voraussetzung sind notwendig, um eine gute therapeutische Allianzpartnerin oder Partnerzu sein? Was passiert, wenn das aufgabenzentrierte Arbeitsbündnis zwischen der Therapeutin, beziehungsweise dem Therapeuten, und den Eltern nicht gut gelingt? Schon von Beginn an, sind die Autismus-Therapie-Zentren als Arbeitgeber bestrebt, nur therapeutische Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einzustellen, welche, neben den nötigen fachlichen Qualifikationen, auch die persönlichen Eigenschaften und die wertschätzende Grundhaltung mitbringen, damit sie als verlässliche therapeutische Bezugspersonen für Familien, die von Autismus betroffen sind, agieren können. Ebenso wird durch das A T Z gewährleistet, dass die Rahmenbedingungen für ein positives Arbeitsverhältnis zwischen Therapeutin, beziehungsweise Therapeut, und Eltern vorhanden sind. Neben organisatorischen und sachbezogenen Ressourcen, wie beispielsweise Räume zur Verfügung zu stellen, oder auf Dienstzeiten zu achten, gehören zu diesen Rahmenbedingungen auch eine gute und ausführliche Einarbeitung, ein großes Angebot an Fortbildungen und Fallberatung und oder Supervision für die Therapeutnnen und Therapeuten. Prinzipiell wird darauf geachtet, dass die Bedürfnisse des Klienten, beziehungsweise der Klientin, und deren, beziehungsweise dessen, Familie mit den therapeutischen Kompetenzen übereinstimmen. Das schließt unter anderem die Berücksichtigung von kulturellen Besonderheiten ein und wurde von der Workshopgruppe als, Therapeutin, beziehungsweise Therapeu,t‑Klient, beziehungsweise Klintin-Passung, benannt. Die therapeutische Fachkraft muss über die Leidenschaft für Menschen mit A S S verfügen, die es ermöglicht, mit Freude als Therapeut, beziehungsweise Therapeutin, arbeiten zu können. Sie braucht einen guten Rundumblick, was bedeutet, dass die Therapeutin, beziehungsweise der Therapeut, schon beim Eingehen des Arbeitsbündnisses mit den Familien, möglichst alle Begebenheiten erfassen und im Blick behalten soll. Als zentral für die Grundlage der gelingenden therapeutischen Allianz, stellt sich die Kompetenz der Therapeutin, beziehungsweise des Therapeuten, heraus, auf den Diagnoseverarbeitungsprozess der Eltern sensibel einzugehen, und sich bei der oft gestellten Schuldfrage, meistens bei den Müttern, klar zu positionieren. Es ist wichtig, dass die Therapeutin, beziehungsweise der Therapeut, die Ressourcen der Familien erkennt, aktiviert und nutzt, aber auch die Schwächen akzeptiert, und das individuelle Arbeitstempo berücksichtigt. Therapeutische Offenheit für die Bedürfnisse, und eventuell vorhandene kulturelle Unterschiede in den familiären Systemen der KlientInnen, ist ebenso Voraussetzung für eine gute therapeutische Allianz. Von großer Bedeutung ist das Wissen der Therapeutin, beziehungsweise des Therapeuten, dass er nicht für alle Fragestellungen und Aufgaben, welche das Familiensystem mit sich bringt, alleine verantwortlich sein muss. Eine gute Vernetzung mit Kooperationspartnern aus dem Hilfesystem, trägt deshalb ebenso dazu bei, dass das Arbeitsbündnis zwischen den Eltern und der Therapeutin, beziehungsweise dem Therapeuten, gut gelingt. Trotz all dieser Erkenntnisse ist es in Ausnahmefällen auch möglich, dass das aufgabenzentrierte Arbeitsbündnis zwischen der Therapeutin, beziehungsweise dem Therapeuten, und den Eltern nicht gut gelingt. Wichtig ist in diesem Fall, diese Tatsache möglichst früh zu erkennen, und zu akzeptieren. In einem weiteren Schritt muss das Problem analysiert, meist zusammen mit der fachlichen Leitung des Autismus-Therapie-Zentrums, und Lösungsmöglichkeiten müssen erarbeitet werden. Falls auch diese keine Verbesserung der therapeutischen Allianz gewährleisten, ist es sinnvoll, dass die Zuständigkeit für die pädagogische beziehungsweise therapeutische Förderung der Familie, zu einer anderen Therapeuti, beziehungsweise einem anderen Therapeuten, wechselt. Die oben genannten Forschungsergebnisse und die Erkenntnisse aus den Workshops, bieten sicherlich Anstoß für Diskussionen über die Bedeutsamkeit für die weitere therapeutische Arbeit in den Autismus-Therapie-Zentren. Sie belegen die Wirksamkeit von bereits gut umgesetzter Arbeitsweise im therapeutischen Alltag, und bilden eine Grundlage dafür, neue Ideen und Gestaltungsmöglichkeiten zu entwickeln.
Bordin, E. S. (1979). The generalizability of the psychoanalytic concept of the working alliance. Psychotherapy: Theory Research and Practice, 16, 252–260
Bordin, E. (1994). Theory and research on the therapeutic working alliance: New directions. In A. O.
Horvarth & L. Greenberg (Eds.), The working alliance: Theory, research and practice (pp.13–37). New York: Wiley.
Tröster, H., Oberfeld C., Krawinkel, S. & Lange S. (2017). Anforderungen, Belastungen und Ressourcen von Eltern mit Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen. Aktuelle Ergebnisse des Forschungsprojektes ELKASS. In Bundesverband autismus Deutschland e.V.(Hrsg.), Lernen-ArbeitLebensqualität. Bericht der 15. Bundestagung in Dormund vom 9.–11. Juni 2017 (S. 322–342). Karlsruhe: von Loeper Fachbuch Autismus.
Heinrich Tröster, Sarah Lange
Eltern von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen
Anforderungen, Belastungen und Ressourcen
Springer-Verlag
ISBN 978–3‑658–24814‑7
Poster der Technischen Universität Dortmund / Fakultät Rehabilitationswissenschaften. Autoren: Stefanie Krawinkel, Sarah Lange, Teresa Mann & Heinrich Tröster
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Poster der Technischen Universität Dortmund / Fakultät Rehabilitationswissenschaften. Autoren: Teresa Mann, Sarah Lange, Stefanie Krawinkel & Heinrich Tröster
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Poster der Technischen Universität Dortmund / Fakultät Rehabilitationswissenschaften. Autoren: Sarah Lange, Teresa Mann, Stefanie Krawinkel & Heinrich Tröster
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Forschungsprojekt ELKASS
www.fk-reha.tu-dortmund.de/psychodiagnostik/cms/de/ELKASS/index.html
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